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Die Freie Waldorfschule Hildesheim setzt ein neues Eingangsstufenkonzept um

Sie klettern auf Türme und stürzen sich hinunter. Sie balancieren über Abgründe, bauen Ritterburgen und verteidigen sie gegen Angreifer. Ein paar Minuten später sitzen sie konzentriert an ihren Tischen und lernen Lesen und Schreiben: Die Schüler der 2. Klasse der Freien Waldorfschule Hildesheim, die am neuen Unterstufenkonzept „bewegtes Klassenzimmer" teilnehmen.

Flexible Unterrichtszeiten

Zunächst bietet sich dem Besucher ein ungewohntes Bild. Weder Tische noch Stühle, nur kleine Bänke und viele bunte Sitzkissen. Die Unterrichtsräume der 1. und 2. Schulklassen sind nicht mehr in erster Linie für stilles Sitzen und Frontalunterricht konzipiert. Sie dienen dazu, ein Konzept zu verwirklichen, das sich immer wieder neu auf die Bedürfnisse der Kinder einstellt. So beginnt der Unterricht am Morgen erst nach einer freien Spiel- und Bewegungsphase. Je nach den Bedürfnissen der Kinder ist diese mal länger mal kürzer. „Auch die Länge der einzelnen Unterrichtsabschnitte richtet sich nach der Ausdauer der Kinder und nicht nach einem vorgegebenen Stundentakt. Ziel ist es, die Schüler in den ersten beiden Schuljahren schrittweise an den üblichen Stundenrhythmus heran zu führen", sagt Herr Föppl, Klassenlehrer der 2. Klasse der Freien Waldorfschule, der das bewegte Klassenzimmer im letzten Schuljahr erfolgreich eingeführt hat.

Die Freie Waldorfschule Hildesheim reagiert mit dem bewegten Klassenzimmer auf eine Veränderung des Schülerverhaltens, das an allen Schulen beobachtet wird. Immer mehr Schülern der Eingangsstufe fällt es schwer, sich über einen längeren Zeitraum zu konzentrieren. Sie haben wenig Ausdauer und sind den vielfältigen Anforderungen der neuen Lernsituation oft nicht gewachsen.

 

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Das Bochumer Modell

Viele Waldorfschulen haben auf diese Entwicklung reagiert. Bereits vor rund 14 Jahren hatte die erste Waldorfschule das sogenannte Bochumer Modell entwickelt und das „bewegte Klassenzimmer" eingeführt. Dabei geht es nicht nur um bewegliches Mobiliar, sondern vor allem um die Entwicklung der Sinne, die Bewegungsfähigkeit der Kinder, ihr Bindungsvermögen und ihr Sozialverhalten. Diese Komponenten bilden die Basis für ein fruchtbares und erfolgreiches Lernen der Schulfächer bis hin zum Abitur. „Das Konzept des bewegten Klassenzimmers ermöglicht den Kindern erst den Zugang zu der Lernwelt, wie die Gesellschaft sie heutzutage fordert und vereinfacht den Übergang vom Kindergarten zum Schulalltag", meint die Förderlehrerin Frau Hohenberger, die die Schüler in der ersten und zweiten Klasse begleitet.

Der Klassenlehrer übernimmt bei dem Konzept des bewegten Klassenzimmers eine starke Rolle: er ist in den ersten zwei Jahren bei allen Schulstunden anwesend, auch wenn der Englisch- oder Französischlehrer kommt, um den Unterricht zu übernehmen. Der Klassenlehrer wird damit zu einer verlässlichen Bezugsperson, zu der die Kinder eine starke Bindung aufbauen können.

Verlässliche Strukturen

Viel Bewegung erfordert viel Struktur. Jedes Kind hat zum Beispiel seinen festen Platz und seinen gleichbleibenden Nachbarn. Jedes Kind weiß, wo es sitzt und kann sich auf einen wiederkehrenden Ablauf des Unterrichts verlassen. So geht es einmal in der Woche in den Wald zum Wandertag. Dort erleben die Kinder mit allen Sinnen die vier Elemente in ihrer jahreszeitlichen Verschiedenheit, was sich positiv auf die individuelle Lernbereitschaft auswirkt und die Gruppendynamik der Klasse stärkt. Wichtig ist auch das gemeinsame Frühstück im Klassenzimmer. In Minutenschnelle schieben die Schüler die Tische zu einer langen Tafel zusammen. Gemeinsam wird gegessen, gemeinsam wird auf- und wieder abgeräumt.

Mehr Möglichkeiten im Neubau

Mit dem geplanten Neubau auf dem Gelände der Waldorfschule bekommt das „bewegte Klassenzimmer" zukünftig einen besonderen Rahmen: Die räumliche Nähe von Unterrichtsräumen, Förderraum, Hortbetreuung und Schulgarten zusammen mit einem eigenen Pausenhof bietet für die ersten beiden Klassen ein optimales Lernumfeld in einem geschützten und erlebnisreichen Schulraum.

In der Eingangsstufe werden mit dem „bewegten Klassenzimmer" die Grundlagen für eine erfolgreiche Schulausbildung gesetzt. Lernen bedeutet in der Waldorfschule immer, die körperliche und seelische Gesundheit der Schüler zu fördern und zu unterstützen, damit sie sich zu selbstständigen und verantwortungsbewussten Menschen entwickeln können.

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